Essen und Trinken
Über das Thema „Essen und Trinken“ in Japan zu berichten ist keine leichte Aufgabe. Dies hat viele verschiedene Gründe. Zum einen ist sobowhl die japanische, als auch die importierte Küche in Japan mehr als vielfältig. Zum anderen fällt es schwer die Hingabe zu beschreiben, die die Verköstigungsindustrie in Japan an den Tag legt um den Gast zu bewirten. Japaner lieben schlichtweg das Detail und das auch vor allem wenn es um Verpflegung geht. Unabhängig von der preisklasse eines Lokales haben sich bei mir folgende Beobachtungen bei jedem Japanaufenthalt aufs neue Bestätigt.
Die Wertschätzung einer Speise richtet sich nach mehreren Kriterien. Ein Kriterium ist die Geschichte rund um die Zutaten. Je frischer, einzigartiger, seltener, aufregender die Zutat, umso besser das damit zubereitete Gericht. Das erklärt auch die einzigartige Aufzucht der weltweit bekannten Kobe-Rinder. Diese Rinder werden mitunter mit Bier gemästet und erhalten in regelmäßigen Abständen Massagen, um die Qualität des Fleisches – und nicht zu vergessen auch den Preis, äh, Verzeihung, ich meinte die Qualität der daraus resultierenden Speise – zu steigern. Den ideellen Wert einer Speise oder eines Getränkes bestimmt auch die Geschichte rund um die Zubereitung eines Gerichtes. Wer kennt nicht die Geschichte der extrem gefährlichen Zubereitung des giftigen Fugus (Kugelfisches)? Ein falscher Schnitt und die Delikatesse wird zum letzten Abendmahl. Deshalb bereiten nur jahrelang in der Zubereitung geschulte Meister mit spezieller Genehmigung diesen Fisch zu. Aber nicht nur beim Fugu werden Techniken von Generation zu Generation weitergegeben. Das trifft wie bei uns wohl auf alle Rezepte zu. Jedoch wird die Obsession oft zur Kunst erhoben und die Kreation ständig weiterentwickelt. So sagt die Fassade eines Lokale oft nichts über die Qualität der Speisen aus. Es kann schon passieren, dass Sie die besten Ramen die Sie je in Ihrem Leben essen werden, ausgerechnet in einem kleinen Ein-Mann-Restaurant mit 3m2 Gastfläche serviert bekommen. Diese Hingabe zur Perfektion findet man in Japan vielerorts und ist ein weit verbreitetes Motto. Seine Arbeit mit Stolz und Liebe zu verrichten, egal was die Arbeit ist. Im Falle der Köche natürlich perfekt für die Gäste. Ein weiteres Kriterium das quasi ins Auge sticht ist die visuelle Aufbereitung der Speisen. Auch hier unabhängig vom Prestige der Lokalität verblüffen auch Kleinst-Restaurants mit visuell äußerst ansprechend angerichteten Genüssen. Wenn es um die Optik geht, dann gibt es gerade beim Essen und Trinken einen sehr praktischen japanischen Brauch. Im Eingangsbereich einer japanischen Gaststätte gibt es stets eine Vitrine mit aus Wachs nachgebildeten Kopien der Speisen, die im Lokal angeboten werden. Das bestellte Gericht gleicht in 99 von 100 Bestellungen zu 100% der künstlichen Vorschau. Gleiches gilt für Abbildungen in Menüs. Menüs sind in den meisten Fällen praktischer Weise ebenfalls vollständig mit Abbildungen aller angebotenen Speisen und Getränken versehen. Die eliminiert sehr effektiv die Sprachbarriere für Besucher die dem Japanischen nicht mächtig sind. Im Notfall vor betreten des Lokales an der Vitrine die Wahl treffen und den Kellner kurz zum Objekt der Begierde zerren und mit dem Finger darauf zeigen. Das schlimmste das man zu befürchten hat ist, dass sich die offensichtlich bekannte Speise als eine optisch idente, aber geschmacklich sehr abweichende Speise entpuppt.
Der nachfolgende Text widmet sich vorwiegend dem Thema „Essen“. Das hat den Grund, dass ich die Getränk-Vielfalt verhältnismäßig wenig erkundet habe. Meine Beobachtung ist jene, dass die Japaner wie die Europäer sehr gerne ein kühles Bier zur Mahlzeit genießen. Auch Wein und Whisky sind beliebt – speziell am Abend, als Ergänzung zum kalten Bier – wenn die kleinen Salaryman-Kneipen mit Business-People vollgestopft sind. Auch beim Karaoke eignet sich Bier hervorragend zum kühlen der Stimmbänder und haben zu fortschreitender Stunde maßgeblichen Anteil an der Qualität der künstlerischen Performance. Klassiker und bekanntester Japan-Export ist der weltweit bekannte „Sake“ (Reiswein). Er ist in allen Preisklassen, Qualitätsstufen und Stärken erhältlich und wird je nach Bedarf kalt oder warm getrunken. Rund um Sake gibt es zahlreiche Trink-Traditionen, die sich aber erst im intimen Kreis offenbaren. Es gibt Bräuche, die dem westlichen Bruderschafts-Schluss sehr nahe kommen. Beim Sake-Kauf empfiehlt sich auf jeden Fall die unterstützende Expertise eines erfahrenen Sake-Trinkers. Da bin ich leider bis dato der falsche Ansprechpartner. Alkohol ist überall dort zu finden, wo es Getränke gibt. Auch Convenient-Stores und sogar Getränkeautomaten verfügen über ein gewisses Angebot an Bieren und leichten Alkoholikas.
Orientierung im Dschungel der Vielfalt
Ist man Selbstversorger findet man in den entsprechenden Shops die nötigen Zutaten (Gemüsehändler, Obsthändler, Fischhändler, Fleischhändler). Wie bei uns findet sich in größeren Supermärkten der komplette Waren-Mix. Allerdings finden sich große Supermärkte nicht so einfach. Am ehesten wird man in Einkaufszentren im Kellergeschoß fündig. Neben den Zutaten findet sich oftmals auch eine große Palette an günstigen, bereits vorbereiteten Mahlzeiten.
Frisch zubereitete Verpflegung findet man in Japan generell nahezu an jeder Ecke. Auch in den praktischen Conbinis (meist 24h geöffnete Convenient Stores) gibt es für den Hunger zwischendurch japanische Spezialitäten. Im Tiefkühlregal findet sich meist eine große Auswahl an Onigiris (dreieckig geformte Reisbällchen, die mit leckeren Zutaten gefüllt sind). Mein Favorit ist das mit Ume (salzige Pflaume) gefüllte Onigiri. Aber auch Sake (Lachs) steht bei mir hoch im Kurs. Das sind nur zwei (relativ risikofreie) von dutzenden Variationen. Dann gibt es meist auch noch direkt im Kassenbereich eine Vitrine mit heißen Gerichten (Meeresgetier, Eier, Würstchen).
In Städten sehr dicht gesät sind auch kleinere Kneipen, die sich meist auf ein Gericht spezialisieren. Diese findet man auch vermehrt in der Nähe von Business-Bezirken, da der japanische Geschäftsmann die Geschäfte meist außerhalb des Büros bei einem kühlen Bierchen abschließt. Klassiker sind Yaki-Tori (gegrillter Hühnerspieß), Ramen (japanische, dünne Nudeln in schmackhafter Suppe), Udon (dickliche Nudeln ohne Suppe), Soba (kalte, dünne Nudeln ohne Suppe) und natürlich Sushi-Kneipen (Anmerkung: Running-Sushi ist in Japan Kaiten-Sushi). Im Westen eher unbekannt, aber ebenfalls sehr bekömmlich ist Okonomiyaki. In etwas die Pizza des Japaners. Viel Gemüse, eventuell Nuden und Zutaten tierischen Ursprungs direkt auf der langen Ofenplatten-Theke direkt vor dem Gast gebraten mit delikater Sauce angerichtet.
Die nächste große Kategorie sind Themen-Ketten. Sehr beliebt sind Family-Restaurants (zB Dennys). Familiy-Restaurants sind vom Angebot her meist sehr westlich orientiert (Toast, Pizza, Burger und Pommes) und haben bis in die frühen Morgenstunden geöffnet. Meine absolute Lieblings-Kette ist Watami (und das preislich leicht teurere Za-Watami). Watami gibt es mit westlichem und japanischem Interieur. Japanisch bedeutet Schuhe ausziehen und mit etwas Glück eine eigene Koje mit edler Holzverkleidung und typischer Schiebetür. Die Karte bietet eine Vielzahl kleiner Häppchen, die man in mehreren Runden bestellt und gemeinsam verspeist. Unser Ritual sieht meist so aus, dass jeder Anwesende pro Runde ein bis zwei Schüsselchen bestellt. Das ergibt ein leckeres Potporri aus japanischen Köstlichkeiten und führt bereits nach zwei Runden oft zu einem leichten Völlegefühl. Die Schüsselchen werden in der Mitte platziert und jeder lädt das was ihm gerade vorschwebt auf sein Tellerchen. Spätestens beim abschließenden Nabe-Essen frage ich mich immer wo das mein Schwiegervater hinisst. Nabe ist ein metallerner Topf, der direkt auf dem Tisch mittels Gaskocher zum Kochen gebracht wird. Es gibt verschiedene Befüllungen zur Auswahl. Der Inhalt reicht für mehrere Personen und besteht aus Gemüse, Fisch und anderen Einlagen, die allesamt in einer Supper gekocht werden. Krönenden Abschluss eines gelungenen Nabe-Essens bildet das abschließende aufkochen von Reis oder Nudeln in der verbliebenen Suppe im Topf. Und genau dann habe ich traditionellerweise bereits weit mehr als ich sollte verspeist. Mein Favorit für westliche Speisen ist – wenn es um Ketten geht – „La Pausa“. Dort bekommt man für günstiges Geld eine Vielfalt an bekannten Genüssen (Pizza, Pasta, Pommes). Spezieller Geheimtipp: günstiges Abendessen bei „La Pausa“ zum Sonnenuntergang in der Bucht von Tokyo auf der Insel Odaiba im großen Shopping-Center mit Blick auf die fabelhafte Rainbow-Bridge. Dann gibt es noch die bekannten Ketten „Nakau“ bekannt für Reis und Nudeln, „Hidakaya“ – spezialisiert auf Ramen und Gyoza (äußerst deliziöse chinesische Teigtäschchen) und „Bamiyang“ – chinesische Vielfalt. Selbstverständlich ist diese Liste nur ein ganz kleiner Auszug. Aber man sollte so schon ganz gut über die Runden kommen.
Highlight sind dann renommierte Restaurants und Szene-Kneipen. Oft leider etwas hochpreisig bieten Sie aber dann das gewisse Extra und machen das Abendessen zum Erlebnis. Diese Perlen bleiben dann auch entsprechend in Erinnerung. Zu meinen persönlichen Favoriten zählt zum Beispiel ein unvergesslicher Abend im Sumo-Dojo (als einziger Gaijin) der an manchen Abenden das ausgewählte Publikum verköstigt. Unvergesslich ist auch der Abend im Ninja-Restaurant. Ein Restaurant im Kellergeschoß eines Wolkenkratzers. Über die Seitengasse geht es über eine kurze Treppe in ein kleines, dunkles Zimmer. Im Raum befindet sich lediglich eine Rezeptionistin mit bleuchtetem Pult. Man bestätigt die Reservierung und Plötzlich ruft die Rezeptionistin lautstark unseren Kellner, der uns zu unserem Platz begleiten wird. Die Antwort auf die Ankündigung ertönt ganz unerwartet aus der schwarzen Mauer, welche sich zugleich öffnet und einen vermummten Ninja offenbart. Unser „Kellner“ führt uns über dunkle Pfade in das Innere des Gebäudes. Als wir den Bach und die Hängebrücke passiert hatten werden einige typische Kojen im japanischen Stil (Trennwände aus Papier mit Schiebetüren) sichtbar. Die Atmosphäre ist genial. Schließlich bringt er uns zu einer mit dem Kanji für „Kitsune“ (Fuchs) gekennzeichneten Kabine. Erst dann beginnt der eigentliche, lukullische Abend. Die Speisen übertrafen das Schauspiel geschmacklich und optisch noch bei weitem. Bei diesen Abenteuern war ich allerdings auf einheimische Begleitung angewiesen. Ich bin aber davon überzeugt davon, dass man mit kurzen Internet-Recherchen, relativ einfach ganz ähnliche Perlen lokalisieren kann.
Sitten und Gebräuche
Alles was mit der Nase zu tun hat (Schneuzen, Nießen) ist in Japan nicht gerne öffentlich gesehen. Das gilt speziell auch beim Essen. In den meisten Gaststätten isst man vorwiegend mit Stäbchen. Auf Wunsch werden aber auch in fast allen Lokalen Messer und Gabel serviert. Die Fertigkeit im Umgang mit den Stäbchen spielt keine Rolle. Der Versuch alleine zählt. Allerdings Stäbchen bitte nicht senkrecht in Speisen stecken (zB mitten in die Reisschüssel). Das macht man nur bei Totenfeiern – mit dem Gedeck das zur Ehre des Verstorbenen mitangerichtet wird. Die Nase ist auch wieder für Stäbchen tabu. Sie sind auch kein Spielzeug. Man reicht üblicherweise auch keine Speisen mit den Stäbchen quer über den Tisch. Lieber das Teller reichen. Ein Verstoß gegen die japanischen Manieren wird allerdings von einem Gaijin nahezu erwartet. Man darf diese Erwartungshaltung ruhig erfüllen.
Sehr erfreulich ist auch die Tradition, dass in den meisten Lokalen gratis Wasser (mitunter auch grüner Tee) zur Verfügung steht. Je nach Jahreszeit entsprechend temperiert (eiskalt im Sommer, brennend heiß im Winter). Auch das Thema Trinkgeld existiert in diesem Bereich – wie beim Taxifahren – nicht.